Hier ein Reisetipp für Urlaub abseits der üblichen „Touristenpfade“ und abseits der Strände:
Unterwegs auf dem Olivenölweg
Wo früher Züge ratterten, gleiten heute Radreisende durch das Herz Andalusiens entlang einer ehemaligen Eisenbahnstrecke geht es über Viadukte, durch Tunnel und ein Meer von Olivenbäumen.
Von Alexandra Frank (aus Allgemeine Zeitung Mainz)
JAÉN (dpa) In schier endlosen Hainen ziehen sie sich rechts und links des Weges über die wellige Landschaft Andalusiens: Olivenbäume. Und als Antonio Bermúdez eine Zahl nennt, geht seinen Begleitern die Kinnlade runter. 66 Millionen! So viele der knochigen Gewächse gebe es in der Region, teils seien sie über 600 Jahre alt: „Die standen schon, bevor Kolumbus nach Amerika aufbrach.“
Das Gebiet in der südspanischen Provinz Jaén wird auch ‚Meer der Oliven‘ genannt. Es ist eines der größten Olivenanbaugebiete der Welt. Bermúdez Aufgabe ist es, sine Gäste durch dieses Meer zu navigieren – per Fahrrad auf der ‚Vía Verde del Aceite‘.
Dieser -frei übersetzt – „Olivenweg“ ist ein 128 Kilometer langer Wander- und Fahrradweg, der von Jaén bis ins Städtchen Puente Genil führt, etwa 70 km südlich von Córdoba. Auf der Via Verde del Aceite erlebt man Spanien von seiner ruhigen Seite, abseits großer Städte und dem Trubel an den Küsten.
Bermúdez tritt in die Pedale. Manche seiner Gäste, darunter viele aus Deutschland, Holland und Nordeuropa, machen Tagestouren, die sie mit Wanderungen und Besichtigungen verbinden. In Jaén, Start- oder Endpunkt der Strecke, locken etwa eine mächtige Renaissance-Kathedrale und arabische Bäder, die zu den besterhaltenen der gesamten iberischen Halbinsel gehören.
Andere Radler gehen auf längere Teilstrecken und buchen einen Gepäck-Shuttleservice. Als ‚besonders schön‘ empfiehlt der Fahrrad-Guide den Streckenabschnitt ab Martos, einer an einer Bergflanke gelegenen Kleinstadt mit mittelalterlichen Festungsbauten. Rund 60 km sind es von dort nach Cabra und 75 bis Lucena, zwei Landstädtchen am Rande der Bergkette ‚Sierras Subbéticas‘.
„Natürlich kann man die Tour als sportliche Herausforderung sehen und schnell zurücklegen“, sagt Bermúdez. Aber er rät seinen Gästen, sich Zeit zu nehmen, um das ursprüngliche Andalusien kennenzulernen. „Schließlich“, sagt er, „gibt es hier noch mehr zu sehen als Olivenbaume und es gibt viel zu entdecken“.
Etwa den Ort Alcaudete, erreichbar über einen sechs Kilometer langen Stichweg, wo sich eine der am besten restaurierten Festungen Spaniens erhebt, eine mächtige Burg des Calatrava – Ordens. Oder das Bergdorf Zuheros, dessen wie getünchte Häuschen auf einem zerklüfteten Felsen über dem Fahrradweg thronen und das es regelmäßig auf die Liste der ‚Schönsten Dörfer Spaniens‘ schafft.
Nahe dabei liegt der Naturpark Sierras Subbéticas mit seinen schroffen Gipfeln, Wasserfällen und der Cueva de los Murciélagos, eine prähistorische Höhle, in der verschiedene Fledermausarten hausen. Sie steht Besuchern offen – ideal für etwas Abwechslung von den ‚Pedalarbeit‘ im Sattel.
Auf dem ‚Olivenölweg‘ strecken Ponys den Radlern ihre Köpfe entgegen. Der Duft von Rosmarin und Wildblumen liegt in der Luft. Schafsherden blöken und der Kuckuck ruft aus den Baumkronen herunter. „Die Natur ist einer unserer größten Schätze“, sagt Bermúdez. Ein ‚Allgemeinplatz‘, aber wahr; und das erkennt man während dieser Radtour immer wieder.
Die ‚Vía Verde del Aceite‘ ist eine der ‚Grünen Wege‘ (Vías Verdes) Spaniens. Die Bezeichnung lässt die Vergangenheit als ehemalige Bahnstrecke nicht erahnen. Vor etwa 30 Jahren hat man begonnen, stillgelegte Trassen auch anderenorts in Wander- und Radwege umzugestalten. Sie sind für motorisierte Fahrzeuge gesperrt.
Dass Züge seinerzeit keine großen Anstiege überwinden konnten, beschert den Radlern heute recht ebene Strecken. Sie sind von allen ‚Altersklassen‘ gut zu bewältigen. Familien mit Kindern und Senioren kommen hier gut zurecht.
Inzwischen sind in Spanien mehr als 3.400 ehemalige Schienenkilometer, eingeteilt in rund 135 Wegabschnitte oder Verbindungsstrecken, in Rad- und/oder Wanderwege umgestaltet. Unter der Schirmherrschaft der Spanischen Eisenbahnstiftung wurde Wert darauf gelegt, dass Spuren der Eisenbahn – Geschichte erhalten bleiben. In etwa 125 ehemaligen Bahnhöfen befinden sich heute Lokale oder Pensionen, kleinere Infozentren, Museen oder Fahrradverleihgeschäfte.
Auch an der ‚Vía Verde del Aceite‘ werden die Reminiszenzen gepflegt. In Doña Mencía, das bereits zur Provinz Córdoba gehört, ist das Bahnhofsgebäude heute eine Gaststätte. Daneben hat Antonio Camacho in einer ehemaligen Lagerhalle für Öl seinen Fahrradverleih.
Auf der ‚Vía Verde del Aceite‘ wurde ab Ende des 19. Jahrhunderts hauptsächlich Olivenöl aus den Anbaugebieten von Jaén und Córdoba zu den Häfen des Mittelmeers transportiert. „Die letzte Bahnlinie wurde 1985 außer Betrieb genommen“, sagt Camacho. Seit der Jahrtausendwende wurden einzelne Streckenabschnitte dann peu à peu zum Radweg umgebaut.
„Das Schöne ist“, sagt er, dass Radfahrer unterwegs überall auf Spuren der Vergangenheit stoßen.“ Im Bahnhof Cabra zum Beispiel erinnern historische Züge an die Geschichte der Bahnstrecke. In anderen Abschnitten erwarten die Radler Tunnel, Eisenbahnbrücken und Viadukte aus dem 19. Jahrhundert: begehrte Fotomotive!
„Wer hoch oben über die älteste der stählernen Brücken fährt“, so Antonio Camachos Tipp, „sollte innehalten und seinen Blick über die Landschaft schweifen lassen.“ Über Flüsse und Schluchten, über die zerklüfteten Berge und die weißen Dörfer. Und vor allem über das Meer von Olivenbäumen, das dem Weg den Namen gab und ihn bis heute prägt.
Ergänzung: Wer sich hier in den Sierras Subbéticas aufhält, sollte unbedingt einen Abstecher nach Priégo de Córdoba machen. Neben der mittelalterlichen Burg ist der ‚Königliche Schlachthof‘ (direkt neben der Burg) und der Fuente del Rey ein sehenswertes Ziel. Ein Bummel durch die engen Gässchen der Altstadt versetzt einen in längst vergangene Zeiten. Zu empfehlen ist auch eine Degustation der einheimischen Olivenöle. Die Landwirtschaft in der Umgebung wird vom Olivenanbau dominiert. Die Oliven von Priego de Córdoba sind durch kontrollierte Herkunftsbezeichnung geschützt. Sie gelten als die besten Spaniens.
Ein Abstecher nach Luque lohnt sich ebenfalls. Auch dort gibt es eine sehr gut restaurierte Burg zu besichtigen.
(DIAG HL/es.)